16. November 2023

Eine internationale Studie unter der Leitung von Forschungsgruppenleiterinnen Mirjam Christ-Crain und Julie Refardt zeigt, welcher Test bei literweisem Trinken zu einer zuverlässigen Diagnose der Ursachen führt.

Ein Symptom, zwei Krankheitsbilder

Eine übermässige Flüssigkeitsaufnahme kann eine medizinisch unbedenkliche Gewohnheit darstellen, aber auch auf eine seltene Hormonstörung hinweisen. Trinkmengen von über drei Litern pro Tag mit entsprechend vermehrter Urinausscheidung gelten als zu viel. Dieses literweise Trinken wird «Polydipsie-Polyurie-Syndrom» genannt und ist meistens mit der Zeit durch Gewohnheit entstanden oder eine Begleiterscheinung einer psychischen Krankheit.

In seltenen Fällen kann als Ursache aber ein Defizit an Vasopressin (engl. arginine vasopressin, AVP) vorliegen. Vasopressin ist ein Hormon, das in der Hirnanhangdrüse produziert wird und den Wasser- und Salzgehalt steuert. Personen mit Vasopressin-Defizit können den Urin nicht konzentrieren und verlieren deshalb grosse Mengen an Flüssigkeit. Entsprechend verspüren sie ein starkes Durstgefühl und müssen viel trinken, um nicht auszutrocknen.

Verwechslung kann fatal sein

Die Unterscheidung zwischen einer «harmlosen» Form des Vieltrinkens (primäre Polydipsie) und einem Vasopressin-Defizit ist äusserst wichtig, da sich die Therapie grundsätzlich unterscheidet. Ein Vasopressin-Defizit wird mit dem Hormon Vasopressin behandelt, während Personen mit primärer Polydipsie verhaltenstherapeutisch begleitet werden mit dem Ziel, die Trinkmenge langsam zu reduzieren. Eine falsche Behandlung kann lebensbedrohliche Folgen haben, da eine unangebrachte Therapie mit Vasopressin zu einer Wasservergiftung führen kann.

In den letzten Jahren haben sich die beiden Forschungsgruppenleiterinnen Mirjam Christ-Crain und Julie Refardt zusammen mit mehreren nationalen und internationalen Zentren intensiv mit Testmethoden zur Unterscheidung dieser beiden Krankheitsbilder beschäftigt. Dabei zeigte ein Test, bei dem Vasopressin mittels einer Salzinfusion stimuliert wird, eine sehr hohe Zuverlässigkeit. Allerdings sind wegen des starken Salzanstiegs eine ständige Überwachung der Patientinnen und Patienten und halbstündliche Salzmessungen im Blut notwendig. Ein daraufhin stark vereinfachter und verträglicherer Test mittels Arginin-Infusion zeigte ebenfalls sehr hohe Zuverlässigkeit in der Diagnosestellung. Auch Arginin, eine bedingt essentielle Aminosäure, stimuliert die Ausschüttung von Vasopressin.

Klarheit in der Diagnosestellung

Die nun vorliegende internationale Studie hat die beiden Tests direkt miteinander verglichen. Die Ergebnisse an 158 Teilnehmenden zeigen, dass mittels Salzinfusion über 95% der Patientinnen und Patienten richtig diagnostiziert werden konnten. Der Test mittels Arginin-Infusion führte nur in kanpp 75% der Fälle zur richtigen Diagnose. Somit empfehlen die Forschenden den Test mit Salzinfusion als «Goldstandard» für eine zuverlässige Unterscheidung zwischen primärer Polydipsie und Vasopressin-Defizit.

Polydipsie Vasopressin-Defizit
CARGOx-Studie
Stimulation von Copeptin mit Arginin oder hypertoner Salzlösung zur Diagnose von Vasopressin-Defizit

ClinicalTrials.gov NCT03572166

Leitung
Prof. Mirjam Christ-Crain, PD Dr. med. Julie Refardt, Endokrinologie, Diabetes und Metabolismus, Universitätsspital Basel

Studiendesign
Internationale, multizentrische, randomisierte Crossover-Nichtunterlegenheits-Studie

Studienzentren
7 Zentren in der Schweiz, Niederlande, Deutschland, Italien, Grossbritannien, Brasilien

Patientinnen und Patienten
158

Projektdauer
2018-2022

DKF-Scientific Services
Methodische Beratung, Statistik, Data Management, Monitoring

Zur Originalpublikation
Arginine or Hypertonic Saline–Stimulated Copeptin to Diagnose AVP Deficiency, Julie Refardt, M.D., Ph.D., et al., November 16, 2023, N Engl J Med 2023; 389:1877-1887, DOI: 10.1056/NEJMoa2306263