4. November 2024
Routinedaten für die Forschung: Wie gut sind sie und wie einfach können sie genutzt werden?
In der Gesundheitsversorgung fallen täglich grosse Mengen an Daten an. Sie könnten wertvolle Grundlage für Forschungsprojekte sein, wenn Zugriff, Qualität und Austausch unter den Institutionen gesichert sind. Vor allem in der Pädiatrie, wo die Bedingungen für klinische Forschung besonders anspruchsvoll sind, ist das Potenzial für Datenforschung gross. Ein Projekt des SwissPedNet evaluierte nun die Qualität und Nutzbarkeit der Gesundheitsdaten in 9 Schweizer Kinderspitälern.
Am Projekt "SwissPedNet Data Assessment" haben pädiatrische Forschungs-Hubs aus Aarau, Basel, Bern, Genf, Lausanne, Luzern, St. Gallen, Tessin und Zürich teilgenommen. Sie wurden gebeten an ihren Spitälern Datenextraktionen nach definierten Kriterien vorzunehmen und die Qualität der Daten nach vorgegebenen Standards zu bewerten. Ausserdem dokumentierten sie die Arbeitsabläufe und alle Schwierigkeiten und Herausforderungen, die auftraten.
Der erste Teil des Projekts war auf demographische Daten wie Geschlecht, Geburtsdatum und das Vorhandensein eines Generalkonsents gerichtet. Im zweiten Teil wurden krankheitsspezifische Daten zu ambulant erworbener Pneumonie und Diabetes Mellitus Typ1 untersucht.
Demographische Daten besser verfügbar als erkrankungsspezifische
Während in allen Zentren Daten zu Geschlecht und Geburtsdatum nahezu vollständig und konsistent vorhanden waren, zeigten sich bei der Evaluation von Daten zum Generalkonsent einige Lücken. Bei der Datenextraktion zu Pneumonie und Diabetes konnten zwar alle Zentren Fälle identifizieren, die Anzahl, Grösse und Vollständigkeit der Datensets war allerdings sehr unterschiedlich. So betrug die Datenvollständigkeit bei Pneumonie zwischen 57 und 99 Prozent, bei Diabetes zwischen 31 und 98 Prozent. Die Gründe für diese grossen Unterschiede sind vielfältig. Hauptsächlich aber spielen die technische Infrastruktur und personelle Ressourcen, die einem Zentrum zur Verfügung stehen, eine Rolle.
Digitalisierung unterschiedlich weit fortgeschritten
Die Dateninfrastrukturen in den einzelnen Hubs sind heute noch sehr unterschiedlich ausgebaut. Die Bedingungen reichen von voll funktionsfähigen Data Warehouses bis zur Situation, dass Daten noch direkt aus verschiedenen Primärsystemen zusammengesucht werden müssen. Auch steht nicht in allen Hubs gleich viel und gleich gut geschultes Personal für solche Aufgaben zur Verfügung. Dies hat zur Folge, dass ein effizenter und unkomplizierter Austausch von Daten für gemeinsame Forschungsprojekte derzeit nur wenig realistisch erscheint.
Lösungen sind offensichtlich
Um Forschenden den Zugang zu Routinedaten zu erleichtern, sind eine vollständige Digitalisierung und Standardisierung der Datenerfassung entscheidend, z.B. durch einheitliche Klassifikationssysteme wie ATC oder ICD-10. Einheitliche Qualitätschecks würden die Datenqualität verbessern, und nutzerfreundliche Primärsysteme eine vollständigere Datenerfassung ermöglichen. All diese Investitionen, so die Hoffnung von SwissPedNet, würden zukünftig Forschungsprojekte möglich machen, deren Erkenntnisse den jüngsten Patientinnen und Patienten zugutekommen.
Neben der besseren Zugänglichkeit zu Routinedaten für Forschende durch vollständige und einheitliche Umstellung auf digitale Systeme, müssen zukünftige Anstrengungen vor allem in die Standardisierung bei der Datenerhebung gesetzt werden. Hierfür hat das vom Swiss Personalized Health Network (SPHN) unterstützte Projekt SwissPedData mit der Definition eines Mindestdatensatzes wichtige Vorarbeit geleistet. Einheitliche Systeme für Qualitätschecks bei der Datenaufbereitung, wie zum Beispiel in den Nationalen Datenströmen, inklusive SwissPedHealth, vorgesehen, würden die Datenqualität insgesamt steigern.
Ziel des Netzwerks
- Stärkung der pädiatrischen klinischen Forschung
- Förderung und Koordination von klinischen Studien in allen Indikationsgebieten und Altersgruppen
- Unterstützung von forschenden Kinderärztinnen und -ärzten
- Stärkung der gesellschaftlichen Akzeptanz für Studien mit Kindern
Mitglieder
- Kinderspital Aarau
- Universitäts-Kinderspital beider Basel
- Universitäts-Kinderspital Bern
- Kinderspital Fribourg
- Universitäts-Kinderspital Genf
- Universitäts-Kinderspital Lausanne
- Kinderspital Zentralschweiz (KidZ)
- Ostschweizer Kinderspital, St. Gallen
- Kinderspital vom EOC Ticino
- Universitäts-Kinderspital Zurich
- SwissPedRegistry
- SwissPedPha
Projekt "SwissPedNet Data Assessment"
Ziele
- Evaluation der Zugänglichkeit, Vollständigkeit und Konsistenz von klinischen Routinedaten
- Identifizierung von Datenlücken und Herausforderungen bei der Datenextraktion
- Standardisierung von Datenformaten und Variablen
- Evaluation der Dateninteroperabilität und Nutzbarkeit von Daten
Projektleitung
- PD Dr. med. Julia Bielicki, Leitende Ärztin Pädiatrie und Infektiologie und Ärztliche Koordination Pädiatrisches Forschungszentrum, UKBB
- Pia Neuschwander, PhD, Data Scientist, DKF
- Linda Stamm, Projektmanagerin Pädiatrisches Forschungszentrum, UKBB
«Ein besseres Verständnis der Verfügbarkeit und Qualität von Routinedaten der kindermedizinischen und kinderchirurgischen Kliniken in der Schweiz würde nicht nur qualitativ hochwertige Datenforschung ermöglichen, sondern hat auch das Potenzial die Belastung von Kindern und Familien durch zusätzliche Visiten und Beprobungen in der prospektiven klinischen Forschung zu reduzieren.
Das ‹SwissPedNet Data Assessment› war hier ein wichtiger Schritt, um die entsprechenden Grundbausteine in der Schweiz über SwissPedHealth hinaus zu verstehen.»
PD Dr. med. Julia Bielicki, Leitende Ärztin Pädiatrie und Infektiologie und Ärztliche Koordination Pädiatrisches Forschungszentrum, Universitäts-Kinderspital beider Basel