1. Oktober 2024

Randomisiert kontrollierte Studien (RCTs) gelten in der klinischen Forschung als Goldstandard. Sie sind jedoch oft mit hohen Kosten und einem aufwendigen Rekrutierungsprozess verbunden. Die Resultate lassen sich zudem meist nur begrenzt in die klinische Routine übertragen. Mit einem neuen studienmethodischen Ansatz lassen sich viele dieser Herausforderungen überwinden.

Die Idee von TwiCs ist es, randomisierte Studien in eine Kohortenstudie zu integrieren und dabei die bestehende Infrastruktur für die Rekrutierung und Nachverfolgung von Studienteilnehmenden zu nutzen: Teilnehmende geben gleichzeitig mit ihrem Einverständnis zur prospektiven Datenerhebung für die Kohorte (cohort consent) ihre Einwilligung für eine allfällige Randomisierung in einen eingebetteten TwiCs (randomisation consent). Jenen Teilnehmenden, die in eine Interventionsgruppe eines TwiCs randomisiert werden, wird die zu testende Intervention angeboten, die sie entweder annehmen oder ablehnen können (intervention consent). Teilnehmende hingegen, die einer Kontrollgruppe eines TwiCs zugeteilt werden, müssen nicht nochmals kontaktiert werden. Sie erhalten weiter die Behandlung entsprechend den Standards der Kohorte.

Auf diese Weise sind TwiCs effizient und können Kosten einsparen. Da Personen in den Kontrollgruppen nicht über Interventionsmöglichkeiten informiert werden müssen, ensteht auch nicht das Problem, dass sie – enttäuscht darüber eine möglicherweise vorteilhafte neue Behandlung nicht zu erhalten – ihre Teilnahme zurückzuziehen. Die Erhebung aller Endpunkte für einen TwiCs findet im Rahmen der Kohortenuntersuchungen statt. Somit wird auch die Intervention in einem der klinischen Routine vergleichbaren Setting getestet, was die Übertragbarkeit der Resultate in den klinischen Alltag verbessert.


Vorreiter in der Schweiz und in Lesotho

In der Schweiz nimmt die Abteilung Klinische Epidemiologie am Departement Klinische Forschung (DKF) eine Vorreiterrolle in der Implementierung und Durchführung von TwiCs ein. So hat Felix Gerber, MD-PhD-Student, unter der Leitung von Prof. Niklaus Labhardt und Dr. Alain Amstutz die «Community-Based Chronic Care Lesotho (ComBaCaL)»-TwiCs-Kohortenstudie aufgebaut. Die ComBaCaL-Studie mit etwa 15'000 Teilnehmenden aus über 100 Dörfern untersucht chronische Erkrankungen und deren Risikofaktoren in ländlichen Regionen in Lesotho, einem Entwicklungsland, in dem die Bevölkerung grundsätzlich erschwerten Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen hat, und das mit der weltweit zweithöchsten HIV-Prävalenz mit einer zunehmenden Prävalenz von nicht-übertragbaren chronischen Erkrankungen wie Bluthochdruck und Diabetes konfrontiert ist.

Momentan wird in zwei cluster-randomisierten TwiCs innerhalb der ComBaCaL Kohorte1 untersucht, ob das Angebot von Erstlinientherapien für Bluthochdruck und Diabetes durch Gesundheitshelfer in den Dörfern die entsprechenden Behandlungsresultate im Vergleich zur herkömmlichen Behandlung in Spitälern verbessern kann.

Die DKF-Forschungsgruppe von Prof. Matthias Briel beschäftigt sich mit der Anwendung von TwiCs in der Schweiz. Im Rahmen seiner MD-PhD Arbeit treibt Christof Schönenberger unter der Supervision von Prof. Matthias Briel und Dr. Alain Amstutz die Implementierung von TwiCs in der Schweizerischen HIV Kohortenstudie voran – eine nationale Forschungsplattform, die 1988 gegründet wurde. Sie ist die erste Kohortenstudie in der Schweiz, die ihr Protokoll angepasst hat, um zukünftig TwiCs zu ermöglichen. Gegenwärtig läuft der Implementierungsprozess des Randomisierungskonsents. Anfang 2025 ist der Start der ersten TwiCs-Studie in der Schweiz geplant, welche ein neuartiges Konzept zum Rauchstopp untersuchen wird2.

[1] https://trialsjournal.biomedcentral.com/articles/10.1186/s13063-024-08226-2 und
https://trialsjournal.biomedcentral.com/articles/10.1186/s13063-023-07729-8

[2] «Reduce tobacco use in people living with HIV in Switzerland: A pragmatic randomised trial within the Swiss HIV Cohort Study (RETUNE).»

 

TwiCs

Trials within Cohorts – die Vorteile:
 

  • Bessere Anwendbarkeit der Ergebnisse
    Der stufenweise Einwilligungsprozess ermöglicht randomisierte Vergleiche ohne Einverständnisverfahren direkt vor einer Studienteilnahme und damit in einem Setting, das der klinischen Routine oft ähnlicher ist als in herkömmlichen RCTs.
     
  • Effiziente Rekrutierung
    Die bestehende Kohorte wird als Rekrutierungsplattform verwendet. Dies erlaubt eine bessere Abschätzung des Rekrutierungspotenzials basierend auf den vorhandenen Kohortendaten und eine effiziente Rekrutierung im Rahmen der Kohortenuntersuchungen.

     
  • Effiziente Nutzung vorhandener Daten
    Vorhandene Daten aus der Kohorte können für randomisierte Analysen verwendet werden, was Zeit und Kosten spart.

     
  • Mehrere TwiCs innerhalb einer Kohorte
    Wenn das TwiCs-Design in einer Kohorte implementiert ist, können vereinfacht mehrere randomisierte Studien in der gleichen Kohorte durchgeführt werden, ohne dass dabei jeweils eine neue Infrastruktur aufgebaut werden muss.