23. Oktober 2023

Eine grosse Phase III-Studie unter der Leitung der Forschungsgruppe Dirk Fischer konnte vielversprechende präklinische Studienergebnisse leider nicht bestätigt. Eine weitere enttäuschte Hoffnung für Betroffene.

Patienten mit Duchenne Muskeldystrophie und ihre Familien sind mit einer fatalen Krankheit und begrenzten therapeutischen Möglichkeiten konfrontiert. Diese Erkrankung wird durch einen Gendefekt am X-Chromosom verursacht und rezessiv vererbt. Sie führt zu einem raschen und irreversiblen Umbau von Skelettmuskulatur in Binde- und Fettgewebe und schliesslich zum frühzeitigen Tod. Derzeit steht einzig die Behandlung mit Kortikosteroiden zur Verfügung, die den Krankheitsverlauf etwas verlangsamen kann.

Präklinische Daten gaben Hoffnung

Neue Hoffnung auf eine Behandlungsoption gab eine präklinische Studie aus dem Jahr 2013. Tamoxifen, ein Östrogenrezeptor-Regulator, der bei Patientinnen mit hormonrezeptor-positivem Brustkrebs erfolgreich eingesetzt wird, zeigte vielversprechende Wirkungen bei Mäusen, die an Duchenne Muskeldystrophie litten. Es konnte ein Einfluss von Tamoxifen unter anderem auf die Verhinderung von Apoptose, die Stabilisierung von Zellmembranen, die Hemmung von Fibrose und die Modulation der Kalzium-Homöostase festgestellt werden. Ausserdem zeigten behandelte Tiere eine gesteigerte Kraftentwicklung, geringere Muskelermüdung und Normalisierung der Bewegungsfähigkeit. Eine grosse klinische Studie war nach solchen Vorergebnissen also unbedingt angezeigt.

Klinische Studie bringt keine Bestätigung

Die Studie TAMDMD hatte mit ihrem multizentrischen, 1:1 randomisierten, doppelt verblindeten und Plazebo-kontrollierten Studiendesign zum Ziel, die Sicherheit und Wirksamkeit von Tamoxifen im Vergleich zu Placebo als Ergänzung zur Kortikosteroidtherapie zu untersuchen. Es wurden 79 Patienten mit Duchenne Muskeldystrophie im Alter zwischen 6 und 12 Jahren eingeschlossen und über 48 Wochen hinweg behandelt. Als primärer Endpunkt wurde die Änderung in der Bewegungsfähigkeit über den Studienzeitraum mittels D1-Subscore des Motor Function Measure (MFM)-Scores gemessen.

Die Auswertungen zeigen zwar, dass sich die Krankheit bei Jungen, die mit Tamoxifen behandelt wurden, etwas langsamer verschlechterte, die Ergebnisse waren allerdings weder klinisch relevant noch statistisch signifikant. Dies gilt für den primären Endpunkt sowie für die meisten sekundären Endpunkte. Tamoxifen wurde insgesamt gut vertragen.  

Die Empfehlung

Das ernüchternde Fazit aus dieser Studie ist somit: Tamoxifen kann zur Behandlung von Duchenne Muskeldystrophie derzeit nicht empfohlen werden. Dennoch hat diese Studie grosse Bedeutung. Sie schafft Klarheit für Betroffene und die betreuenden Ärztinnen und Ärzte. Die Forschung muss nun neue Wege auftun bei der Suche nach Behandlungen für diese fatale Erkrankung.

Tamoxifen bei Muskeldystrophie Duchenne

TAMDMD-Studie: Wirksamkeit und Sicherheit von Tamoxifen bei Duchenne Muskeldystrophie

ClinicalTrials.gov NCT03354039

Leitung
Prof. Dirk Fischer, Leitender Arzt Neuro- und Entwicklungspädiatrie, Leitender Arzt Elektrophysiologie, Leiter Neuromuskuläre Forschung, Universitäts-Kinderspital beider Basel

Studiendesign
Multizentrische, randomisierte, doppel-verblindete, Plazebo-kontrollierte Phase III-Studie

Studienzentren
12 Zentren in der Schweiz, Deutschland, Grossbritannien, Die Niederlande, Spanien, Belgien und Frankreich

Patienten
79

Projektdauer
2018-2023

DKF-Scientific Services
Methodische Beratung, Statistik, Projektmanagement, Data Management, On Site Management

Zur Originalpublikation
Safety and efficacy of tamoxifen in boys with Duchenne muscular dystrophy (TAMDMD): a multicentre, randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Henzi BC et al., Lancet Neurol. 2023 Oct;22(10)